Einleitung

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

nach jahrzehntelanger Überzeugungsarbeit ist mit der Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 3.3.2012 die Sreeninguntersuchung auf Gestationsdiabetes in die Mutterschafts-Richtlinien aufgenommen worden.

Der Test erfolgt zweistufig. Im Zeitraum zwischen der 24 +0 und 27 +6 Schwangerschaftswochen wird die venöse Plasmaglukosekonzentration eine Stunde nach oraler Gabe von 50 g Glucoselösung (unabhängig vom Zeitpunkt der letzten Mahlzeit, nicht nüchtern) bestimmt. Schwangere mit Blutzuckerwerten ≥135 mg/dl und ≤200 mg/dl erhalten zeitnah einen oralen Glukosetoleranztest(oGTT) mit 75 g Glukoselösung nach Einhaltung von mindestens 8 Stunden Nahrungskarenz.

Außerdem gibt es eine neue, von der gynäkologischen und diabetologischen wissenschaftlichen Fachgesellschaft (DGGG bzw. DDG) gemeinsam verabschiedete S3 Leitlinie zum Gestationsdiabetes (AWMF Register Nr. 057/008), die sich auf mittlerweile weltweit akzeptierte Grenzwerte bezieht. Damit sind die Standards eindeutig definiert.

Allerdings erfordert die Umsetzung einige Umstellungen in der alltäglichen Handhabung. Um die Reibungsverluste in der Anfangszeit möglichst klein zu halten, wollen wir für Sie die wichtigsten Änderungen darstellen.

Die Blutzuckermessung beim oGTT mit 75 g Glucose erfolgt im venösen Plasma.

Es gelten folgende Grenzwerte:

Nüchtern-Blutzucker < 92 mg/dl  
Blutzucker nach 1 Std. < 180 mg/dl  
Blutzucker nach 2 Std. < 153 mg/dl gemessen im venösen Plasma.

Wenn Sie die Werte bisher selbst mit einem Hemocue–Gerät gemessen haben, können Sie das Gerät weiter benutzen. Sie müssen allerdings EDTA Blut (rotes Blutbildröhrchen) venös gewinnen und die Küvette des Hämocue mit dem EDTA Blut unmittelbar nach der Entnahme beschicken. Das hört sich kompliziert an, lässt sich aber im Alltag ohne großen Aufwand umsetzen. (Bilder zur praktischen Durchführung finden Sie im Unterpunkt „Bestimmung der venösen Plasmaglucose / Glucosemessung vor Ort Blutzuckerbestimmung in der Praxis“.) Das Ergebnis müssen Sie noch in Plasmawerte umrechnen, da die Hemocue-Geräte, die älter als 1 Jahr sind, Vollblutwerte liefern. Dazu müssen Sie das Ergebnis mit dem Faktor 1,11 multiplizieren. Eine Umrechnungstabelle finden Sie auch auf unserer Homepage.

Neue plasmakalibierte Hemocue-Geräte, die keine Umrechnung mehr erfordern, sind zum Preis von ca. 400 € erhältlich.

Eine Umrechnung von kapillären Werten in venöse Werte ist nicht möglich.

Auch eine Blutzuckerbestimmung mit Handmessgeräten zur Diagnosestellung ist nicht zulässig, da diese Geräte zu ungenau sind. Sie dürfen in den Handel gebracht werden, auch wenn sie bis zu 20% vom tatsächlichen Wert abweichen, und sind deshalb nur zur Patientenselbstkontrolle geeignet.

Makrosomie und Insulintherapie

Wenn erhöhte Blutzuckerwerte im Alltag gemessen werden, hängt die Entscheidung, ob mit Insulin behandelt werden muss, meist von kindlichen Parametern ab. Wir müssen von Ihnen wissen, ob der kindliche Abdominalumfang vermehrt ist und ob das Verhältnis zum Kopfumfang ein proportionales oder unproportionales Wachstum anzeigt.
Auch hierzu finden Sie in der Leitlinie eine genaue Beschreibung und auf unserer Homepage eine Illustration.
Als Anhang der Leitlinie gibt es als Praxistool ein Einlegeblatt für den Mutterpass, das der Verbesserung der Kommunikation zwischen Gynäkologen und Diabetologen dienen soll und mit geringem Aufwand zu führen ist. Es erspart uns allen viele Telefonate und hilft, in einer gemeinsamen Sprache zu sprechen.

Wir sind sicher, dass durch die stärkere Hinzuziehung der von Ihnen erhobenen Ultraschallparameter zukünftig etlichen Patientinnen eine Insulintherapie erspart werden kann. Auch müssen die Patientinnen zukünftig bei normalem kindlichem Wachstum und guten Blutzuckerwerten nach einer 1-2-wöchigen Eingangsphase bei unkompliziertem Verlauf nur noch täglich einen Blutzuckerwert zu wechselnden Zeiten messen.

Wir werden bei unseren Beratungen in Zukunft mehr auf die Gewichtsentwicklung der Mütter achten. Auch hierzu gibt es in der Leitlinie sehr hilfreiche BMI-adaptierte Kurven zur erwünschten Gewichtszunahme in der Schwangerschaft.

Durch die Leitlinie angeregt, wollen wir die Patientinnen in unseren Schulungen auf die überzeugenden Vorteile des ausschließlichen Stillens über mindestens 4 Monate zur Prävention von Übergewicht und Diabetes von Mutter und Kind hinweisen.

Es lohnt sich unseres Erachtens, die Praxisversion der neuen Leitlinie zu lesen.
Wir hoffen, dass Sie nicht nur über einige etwas mühsam umzusetzende Veränderungen aufstöhnen, sondern sich auch über die gewonnene größere Klarheit und auf die zukünftige engere Zusammenarbeit freuen.

Mit freundlichen kollegialen Grüßen

Ihre

Dr. med. J. Sinn
Dr. med. W. van de Sand
Dr. med. E. Klör
Dr. med. I. Gabel